Das Spiel um Arbeitsrecht: Ein Landessozialgerichtsurteil verändert die Regeln für Vertragsfußballspieler

11. Dezember 2023

Die Grenzen zwischen Sport und Arbeitsrecht verschwimmen zunehmend. Ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern wirft ein neues Licht auf die rechtliche Einordnung von Beschäftigungsverhältnissen im Amateur- und semi-professionellen Sport. In diesem Blogbeitrag erfahren Sie, wann Sportler keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Bürgergeld haben und welche Auswirkungen das Urteil auf die Vertragsgestaltung zwischen Vereinen und Sportler haben kann.

Lesedauer: 4 Minuten (ca. 850 Wörter)

Das Landessozialgericht von Mecklenburg-Vorpommern hat am 28. Juni 2023 ein Urteil (Az: L 2 AL 43/18) gesprochen, das weit über die Grenzen des nordöstlichen Bundeslandes Beachtung finden dürfte. Das Urteil markiert einen wichtigen Gradmesser in der rechtlichen Bewertung der Beschäftigungsverhältnisse im Amateur- und semi-professionellen Sport in Deutschland. Im Kern ging es um die Frage, ob ein Vertragsfußballspieler, der für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält und nicht zum Profibereich zählt, zeitgleich Anspruch auf Arbeitslosengeld haben kann.

Dieser Fall ist besonders interessant, da er die üblichen Grenzen zwischen Arbeits- und Sportrecht berührt und wichtige Implikationen für Sportler und deren Ansprüche auf Arbeitslosengeld bzw. Bürgergeld birgt. Dieser Beitrag beleuchtet die Details des Falles und seine Bedeutung für die rechtliche Einordnung von Sportlertätigkeiten. Die Ergebnisse sind dabei nicht nur für den Amateur- und semi-professionellen Sport relevant, sondern auch für den E-Sport.

Hintergrund des Falles

Der Fall dreht sich um einen jungen Mann, geboren 1996, der als Fußballspieler bei einem Verein unter Vertrag stand. Für seine Tätigkeit auf dem Spielfeld erhielt er eine monatliche Vergütung in Höhe von 250 € (brutto) sowie zusätzliche Prämien. Neben seiner Tätigkeit als Fußballspieler ging er einer “regulären” Tätigkeit als Arbeitnehmer nach. Nachdem das Arbeitsverhältnis endete, meldete sich der Spieler arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld bei der zuständigen Agentur für Arbeit.

Die Agentur für Arbeit lehnte seinen Antrag ab, mit der Begründung, dass die Tätigkeit als Vertragsfußballspieler ein reguläres Beschäftigungsverhältnis darstelle, welches ihn von der Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld ausschließe. Mit dieser Entscheidung war der Fußballspieler nicht einverstanden und erhob daher Klage vor dem Sozialgericht Rostock. Das Sozialgericht gab ihm zunächst Recht und urteilte, dass er Anspruch auf Arbeitslosengeld habe. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die geringe Vergütung und die Art der Tätigkeit nicht die Merkmale eines traditionellen Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 138 Sozialgesetzbuch III (SGB III) erfülle.

Gegen das Urteil hat die Agentur für Arbeit Berufung beim Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern eingelegt. Mit Erfolg.

Vertragsspieler sind nicht arbeitslos

Das Landessozialgericht in Neustrelitz kam zu einem anderen Schluss als das Sozialgericht aus Rostock. Die Richter*innen aus Neustrelitz hoben das Urteil des Sozialgerichts auf und wiesen die Klage des Fußballspielers insgesamt ab. In der Begründung führte das Gericht aus, dass die Tätigkeit des Klägers als Fußballspieler mit mehr als 15 Stunde pro Woche sehr wohl ein Beschäftigungsverhältnis im Sinne des SGB III darstellt. Zudem war der Kläger durch die vertragliche Pflicht, an Trainings und Spielen teilzunehmen, in die Organisationsstruktur des Vereins eingebunden und erhielt für seine Leistungen eine wirtschaftliche Gegenleistung.

Die Arbeitszeit von mehr als 15 Stunden pro Woche, die Eingliederung sowie Vergütung begründeten nach Ansicht des Gerichts ein “leistungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis”. Folglich war der Spieler nicht als arbeitslos im Sinne des SGB III zu betrachten.

Komplexe Rechtslage im Sport

Die rechtliche Einordnung von Beschäftigungsverhältnissen im Sportbereich, insbesondere im Falle von Vertragsfußballspielern, ist von zentraler Bedeutung. Das Urteil des Landessozialgerichts unterstreicht die Notwendigkeit, jeden Einzelfall genau zu betrachten. Grundlegend für die Beurteilung ist die Frage, wie viele Stunden Tätigkeit der Sportler vertraglich schuldet, inwieweit die Tätigkeit eine weisungsgebundene Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation darstellt und ob eine wirtschaftliche Gegenleistung erfolgt. Das Gericht legte dar, dass selbst eine geringe Vergütung wie im vorliegenden Fall als ausreichend für die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses angesehen werden kann.

Darüber hinaus verdeutlicht das Urteil die Komplexität in der Beurteilung von Beschäftigungsverhältnissen im Amateur- und semi-professionellen Sport, insbesondere wenn diese an der Grenze zwischen ehrenamtlicher Tätigkeit und beruflicher Beschäftigung liegen.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Feststellungen des Gerichts haben weitreichende Auswirkungen für den Sportsektor, speziell für Sportler im Amateur- und semi-professionellen Bereich. Es etabliert einen wichtigen Maßstab für die Behandlung von geringfügig entlohnten Sportaktivitäten als reguläre Beschäftigungsverhältnisse. Dies könnte bedeuten, dass mehr Sportler in ähnlichen Situationen keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben, wenn ihre Tätigkeit als Beschäftigungsverhältnis anerkannt wird. Diese Entscheidung betont die Notwendigkeit für Sportvereine und -verbände, die Vertragsbedingungen ihrer Spieler sorgfältig zu gestalten und die sozialrechtlichen Implikationen zu berücksichtigen. Für die Spieler selbst unterstreicht es die Wichtigkeit, sich über ihre rechtlichen und sozialen Absicherungen im Klaren zu sein.

Vereine und Vertragsspieler sollten nun u. a. prüfen, welche wöchentliche Arbeitszeit in dem Spielervertrag festgeschrieben wurde. Auch wenn stets das faktische bzw. gelebte Arbeitsverhältnis entscheidend ist – und nicht zwangsläufig das geschriebene Wort in den Verträgen – sollten Vereine und Spieler in den Verträgen eine Arbeitszeit von nicht mehr als 15 Stunden vereinbaren, wenn die Vergütung nicht als bloßer Aufwandsersatz darstellbar ist.

“Vereine und Spieler sollten in den Verträgen eine Arbeitszeit von nicht mehr als 15 Stunden vereinbaren”

Fazit

Das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern bietet wichtige Einblicke in die rechtliche Bewertung von Beschäftigungsverhältnissen im Amateur- und semi-professionellen Sport. Es verdeutlicht, dass selbst geringfügig entlohnte Tätigkeiten in bestimmten Kontexten als reguläre Beschäftigung angesehen werden können, was erhebliche sozialrechtliche Konsequenzen für die beteiligten Akteure hat. Dieser Fall betont die Bedeutung einer genauen juristischen Prüfung in ähnlichen Fällen und könnte als Orientierungshilfe für zukünftige Vertragsgestaltungen zwischen Vereinen und Sportlern dienen.

Sie kommen aus Kiel oder Schleswig-Holstein und sind Vereinsfunktionär oder Vertragsspieler? Oder Sie kommen aus dem übrigen Bundesgebiet und haben Fragen zum Sportrecht? Dann nehmen Sie gerne unter info@anwalt-daum.de Kontakt zu mir auf.

Dr. Oliver Daum
Rechtsanwalt
Anwalt im Sportrecht

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